Figurgedicht
englisch: Figured poem, pattern poem; französisch: Poème en calligramme; italienisch: Poesia figurata.
Hellmut Rosenfeld (1985)
RDK VIII, 1012–1020
I. Definition, hist. Benennungen
F. nennt man ein Gedicht, dessen unterschiedlich lange Zeilen so angeordnet sind, daß sich aus dem Schriftbild der Umriß eines Gegenstandes ergibt, der meist Bezug zum Inhalt des Gedichts hat.
Es gibt zwei Typen: das F., das eine freigestellte Figur ergibt, und das F., bei dem die Figur einem meist mit regelmäßig neben- und übereinander angeordneten Buchstaben geschriebenen Gesamttext so inseriert ist, daß der Text in der Figur („Intext“, „versus intexti“) zugleich Bestandteil des Gesamttextes ist.
Die Bezeichnung F., auch Figurengedicht, hat sich erst im 20. Jh. durchgesetzt [4, S. 89 Anm. 5]; „Figur-Reim“ verwendete 1704 Friedr. Redtel. Die Bezeichnung „Bilderreim“ findet sich im 17. und 18. Jh. mehrfach (z. B. bei Justus Gg. Schottel 1645 und Daniel Gg. Morhof 1682). Man nannte F. aber auch „Flügel-Gedichte - auf frantzesisch Accolade“ (Phil. von Zesen, 1656), „Bildgebände“ (Sigmund von Birken, 1679), „Bilder-Vers“ (Magnus Daniel Omeis, 1704), „Bilder-Gedicht“ (Erdmann Uhse, 1708) oder „malerisches Sinngedicht“ (Joh. Chr. Gottsched, 1751; Belege bei [12] S. 43ff., bes. Anm. 26; [1] S. 185). Das F. mit Intext bezeichnete D. G. Morhof 1682 als „versus quadratus“ und „versus cubicus“.
Für antike F. haben sich die neuzeitlichen Termini „Technopaignia“ und „carmina figurata“ eingebürgert.
II. Antike
F. als freigestellte Figurationen sind seit dem Hellenismus nachzuweisen, dort besonders bei den Dichtern der Bukolik und angeregt wohl „von (unmetrischen) Aufschriften auf Gegenständen archaischer Zeit, deren Zeilen der Form des Gegenstandes folgen“ [6, Sp. 910]. Als ihr „Erfinder“ gilt Sim(m)ias von Rhodos (gegen 300 v. Chr.), dessen F. die Form eines Beiles, eines Eies und der Flügel des Eros haben und die sich als Aufschriften auf Gegenständen ausgeben. Ihm folgten Theokrit (?) und andere griechische Dichter mit F. in Form von Altar und Hirtenflöte ([3] und [6] mit älterer Lit.; Carl Haeberlin, Carmina figurata Graeca, Hann. 21887; zur Textüberlieferung in griech. Anthologien, insbesondere in der für die frühe Neuzeit wichtigen Redaktion des Byzantiners Maximus Planudes 1301 s. auch Wilh. Schmid und Otto Stählin, Wilh. von Christ’s Gesch. der griech. Lit., Mchn. 61920 [Hdb. der Alt.wiss., 7. Abt. T. 2,1; Ndr. Mchn. 1959], S. 124f., 158-160). Lateinische Dichter übernahmen das freistehende F., so A. 1. Jh. Laevius [3] und im 4. Jh. Publilius Optatianus Porfyrius, der F. in Form einer Orgel, eines Altars und einer Syrinx verfaßte (Elsa Kluge [Hg.], P. Optatiani Porfyrii carmina, Lpz. 1926, Nr. XX, XXVI f., S. 88).
Die meisten seiner an Kaiser Konstantin I. gerichteten, z.T. zu dessen Vicennalien 325 verfaßten panegyrischen F. sind F. mit Intexten, die bei ihm erstmals nachweisbar sind und Vorbild für Autoren des MA werden sollten. Farbig hervorgehobene (in den erhaltenen ma. Hss. meist rote) Einzelbuchstaben ergeben geometrische Muster (Diagonalen, Rauten, Netzmuster), Buchstaben, eine Palme oder ein Ruderboot (ebd. S. 88); Begrenzungsstriche können die Figuren zusätzlich nachzeichnen.
III. MA
Die Kenntnis von F. wurde dem frühen MA offenbar durch die Porfyrius-Dichtungen vermittelt (vgl. E. Kluge, Stud. zu P. O. P., Münchener Mus. für Philol. des MA und der Renss. 4, 1924, S. 327-348).
F. mit Intext, die überwiegen, verfaßten u. a. Venantius Fortunatus (MG Auct. ant. Bd. 4,1 S. 30ff., 116f.), auch Ansbert von Rouen (2. H. 7. Jh.: MGSS rer. Mer. Bd. 5 S. 542) und Bonifatius (MG Poet. lat. Bd. 1 S. 16f.).
Ein freistehendes F. entstand durch Umschreiben eines Kreuzsegens - vier Distichen des wohl im 5. Jh. lebenden, sonst unbekannten Grammatikers Calbulus - in Kreuzform. Diese Figuration, deren Entstehung Bernh. Bischoff in vor- oder frühkarolingische Zeit setzt, wurde seit dem 11. Jh. häufig wiederholt, so im Umkreis des Bisch. Gundekar II. von Eichstätt (1057-1073) und - mit apotropäischem Charakter - in dem auf eine Thomas von Aquin-Legende zurückgehenden sog. Kreuz von Anagni (Ursprung und Gesch. eines Kreuzsegens, Volk und Volkstum 1, 1936, S. 225-231; abgedruckt in: ders., Ma. Stud., Bd. 2, Stg. 1967, S. 275-284).
Eine Blütezeit für die Abfassung von F. war die Epoche der Karolinger. Wohl unter unmittelbarem Einfluß der F. des Porfyrius entstanden F. mit Intext, vorwiegend religiösen Inhalts.
Man kennt solche z. B. von Alkuin (MG Poet. lat. Bd. 1 S. 224ff.), Josephus Scottus (ebd. S. 152ff.) und Theodulf von Orléans (ebd. S. 482). Zu zwei nach 888 entstandenen F. auf Kg. Odo von Paris und Kgn. Theotrada s. [9] S. 49ff. In der Sammelhs. cod. 212 der Burgerbibl. Bern sind fol. 111-122 F. des Porfyrius enthalten (Abb. 2), fol. 123-126 solche karolingischer Autoren (9./10. Jh.; Dieter Schaller in: Medium Aevium Vivum. Fs. für Walter Bulst, Hdbg. 1960, S. 22-47; Otto Homburger, Die ill. Hss. der Burgerbibl. Bern, Die vorkarol. und karol. Hss., Bern 1962, S. 162f. mit älterer Lit.; Hans-Gg. Müller, Hrabanus Maurus - De laudibus sancta [!] crucis, Ratingen usw. 1973 [Mittellat. Jb., Beih. 11], S. 124ff.).
Die berühmtesten F. der Karolingerzeit sind die im nach 831 vollendeten „Liber de laudibus sanctae crucis“ des Hrabanus Maurus (Migne, P. L., Bd. 107 Sp. 133-196). Außer den F. des Porfyrius, den er im Prolog erwähnte, kannte er sicher auch die seines Lehrers Alkuin. Hrabanus ordnete die Buchstaben einiger seiner F. mit Intexten in der Art des Porfyrius an, andere der F. jedoch zeigen veränderte, zum Bild weiter entwickelte Figuration: dem regelmäßig geschriebenen, farbig gerahmten Gesamttext wurden voll ausgemalte Figuren eingefügt, in die der Intext eingeschrieben ist. Text, Intext und Bild sind inhaltlich aufeinander bezogen (vgl. Ausst. Stg., Staufer, Bd. 1 Nr. 715).
Abgebildet sind Ludwig der Fromme (der Adressat des Werkes), der Gekreuzigte, Cherubim und Seraphim, das Lamm Gottes mit Evangelistensymbolen (Abb. 1), Blüten (als Gaben des Hl. Geistes) und der Autor zu Füßen eines Kreuzes, aber auch farbig angelegte, geometrisch-flächige Formen. - Zur Hss.überlieferung s. Kurt Holter in: Hrabanus Maurus, Liber de Laudibus Sanctae Crucis, Vollst. Faks.ausg. ... des cod. Vindob. 652 der Österr. Nat.bibl., Graz 1973, Kommentar (Codd. sel., 33*), S. 22ff.; dazu Rezension von Hans Belting, Zs. f. Kg. 41, 1978, S. 162-165; zur Frage nach der den F. zugrunde liegenden Buchstabenzählung und Zahlensymbolik vgl. Heinz Klingenberg in: Fs. für Otto Höfler zum 65. Geburtstag, Bd. 2, Wien 1968, S. 273-300; Burkh. Taeger, Zahlensymbolik bei Hraban, bei Hincmar - und im Heliand?, Mchn. 1970 (Münchener Texte und Unters. zur dt. Lit. des MA, 30), S. 3-86; Ernst Hellgardt, Zum Problem symbolbestimmter und formalästhetischer Zahlenkompositionen in ma. Lit., Mchn. 1973 (Münchener Texte..., 45), S. 298-300.
Zu den „Scholia figurata“ in lateinischen Handschriften von Arats „Phainomena“ s. Figurensatz Sp. 945f.
Nach der karolingischen Zeit sind neue F. offenbar selten entstanden.
F., für die E. Kluge 1924 a. a. O. (Sp. 1014) S. 335 direkte Abhängigkeit von Porfyrius annimmt, schuf um 900 der Neapolitaner Eugenius Vulgaris. Zu Ottonischen F. - immer mit Intext - s. MG Poet. lat. Bd. 5 S. 417, 528, 629ff.
Abschriften sorgten für die Tradierung der F. des Hrabanus bis in die Neuzeit (zu einer Hs. aus Arnstadt, um 1172-1179, in London, Brit. Libr., Ms. Harley 3045, s. Ausst. Stg. a. a. O.). - Offensichtlich in Anlehnung an die F. des Hrabanus schuf 1495 Jacobus de Gouda ein F. mit dem Bild der Maria auf der Mondsichel und den hl. Drei Königen ([9] S. 47-49; Abb. 3).
IV. Neuzeit
Für die Neuzeit typisch sind freigestellte F., geschaffen in Anlehnung an griechische Vorbilder. F. mit Intext finden sich vereinzelt noch im 16. Jh. (politisches F. von 1513 mit Intext in Form eines Richtschwerts: [9] S. 42ff.) und - in einfacher Form - A. 17. Jh. (M. F. Bothar, Ein Flugblatt aus der Officin des Johs. Manlius Keresztur [Deutschkreutz] 1604, Burgenländ. Heimatbll. 12, 1950, S. 134-137, m. Abb.). Ma. F., besonders die von Hrabanus, blieben weiterhin bekannt.
Mit Holzschnitten versehen, erschien 1503 in Pforzheim die von Jakob Wimpfeling herausgegebene erste gedruckte Ausgabe des „Liber de laudibus s. crucis“ mit den F.; weitere Ausgaben in Augsburg 1595, 1603 u.ö. folgten. Noch um 1600 ließ Kaiser Rudolph II. eine Fuldaer Handschrift des Werkes kopieren (vgl. B. Taeger a. a. O. [Sp. 1016] S. 3 Anm. 1). Zur Verwendung und Veränderung von Hrabans F. in kabbalistischer, für Franz I. von Frankreich verfaßter Literatur s. Anne-Marie Lecoq, Un portrait „kabbalistique“ du roi de France vers 1520, Bull. de la Soc. de l’hist. de l’art franc. 1981, S. 15-20. Auch den Dichtern des 17. Jh. waren Hrabans F. bekannt: 1682 sprach D. G. Morhof, wenn auch etwas abwertend, von ihnen [12, S. 45].
Die Kenntnis der antiken griechischen F. kam der Neuzeit zu durch die Beschäftigung vor allem italienischer Humanisten mit der „griechischen Anthologie“ (s. Sp. 1014), in deren Ausgaben E. 15. und A. 16. Jh. nach und nach die F. aufgenommen wurden (C. Haeberlin a. a. O. [Sp. 1014] S. 8f. und [5] S. 18f.).
1531 übersetzte Helms Eobanus Hessus ein F. des Theokrit ins Lateinische (Theocriti Syracusani eidyllia trigintasex, Latino carmina reddita, Basel 1531, Bl. m8v-n). Durch Caesar Scaliger fand das F. Eingang in neuzeitliche Dichterlehren, zu deren festem Bestand die Beschäftigung mit dem F. fortan gehörte, wobei man sich des griechischen Ursprungs des F. bewußt blieb [12, S. 43]. F. dienten als Beispiel für den Wechsel der Versmaße in einem Gedicht.
Scaliger gab in seinen „Poetices libri septem“, Genf 1561, S. 69, den Ausführungen zur Metrik zwei eigene, in griechischer Sprache abgefaßte F. bei, in Anlehnung an ein F. des Sim(m)ias in Form eines Nachtigallen- und eines Schwaneneies.
Seit dem 16. Jh. entstanden F. in Frankreich und in Spanien (s. [12] S. 42); größere Bedeutung erlangten sie jedoch offenbar nur in England und Deutschland (zum englischen F. s. [5] S. 37ff.).
In Deutschland gehörte das F. in den Poetiken ebenfalls zu den empfohlenen Gattungen der Dichtung, erläutert an praktischen Beispielen, deren frühestes sich in der „Teutsch Grammatik“ des Laurentius Albertus, Augsb. 1573, Bl. Ov, findet, die zur Demonstration von Versen unterschiedlicher Länge ein F. in Rautenform bietet (Ndr. Strbg. 1895, S. 152; [12] Abb. 1). Allgemein anerkannt war das F. seit den 40er Jahren des 17. Jh.
Phil. von Zesens „Deutsches Helicons Ander Theil“, Witt. 1641, enthält F. in Form von Bechern (S. 83, 86) und einem Herzen (S. 84); 1643 kündigte er ein „Technopaegnium Poeticum germanicum“ an, das aber nie erschien. Ein Schäferlied von Joh. Peter Tietz hat die Form eines Eies (Zwey Bücher Von der K. Hochdt. Verse und Lieder zu machen, Danzig 1642, I, 16 § 9). Justus Gg. Schottel schuf F. in Form von Ei, Pyramide, Kreuz und Pokal (Teutsche Vers- oder Reim-K...., Wolfenbüttel 1645). 1685 schrieb Joh. Chr. Männling, daß die Bilderreime „recht die Mahlerey des Poeten können heißen“
(Europäischer Parnassus, Witt. 1685, S. 84; [1] S. 182). Weitere Beispiele bei [7] S. 462 und [12] S. 43ff., 70-73.
In den 80er Jahren des 17. Jh. setzte in den Poetiklehrbüchern eine deutliche Ablehnung der F. ein.
Sie wurden z. B. als „armseelige Erfindungen“ bezeichnet von D. G. Morhof (Unterricht Von der Teutschen Sprache und Poesie, Kiel 1682 [Ndr. der Ausg. Lübeck und Ffm. 1700: Bad Homburg, Zh. und Bln. 1968, S. 310]) und scharf abgelehnt von Chrn. Weise (Curiöser Gedancken Von Dt. Versen Anderer Theil, Lpz. 1692, S. 109f.; weitere Belege bei [1] S. 186; [4] S. 95; [7] S. 95; [10] S. 197ff.; [12] S. 45f.). Chrn. Friedr. Hunold (Menantes), Die Allerneueste Art, Zur Reinen und Galanten Poesie zu gelangen, Hbg. 1722, S. 266 bis 268, gibt zwar noch Beispiele, aber für ihn sind „die Bilder-Reime ... kaum wehrt ..., daß man ihrer gedencket“. Joh. Chr. Gottsched schließlich machte die F. als „Tändeleyen“ lächerlich (Versuch einer critischen Dichtk., Lpz. 41751 [Ndr. Darmstadt 1962], S. 682).
Außerhalb der Poetiklehrbücher kommen F. ungefähr seit den 40er Jahren des 17. Jh. vor. Besonderer Beliebtheit erfreuten sie sich im Kreis der Nürnberger „Pegnitzschäfer“.
Gg. Phil. Harsdörffer z. B. gab einem Gedicht, das eine Schmiede schildert, die Form eines Ambosses und einem Trinklied die einer Flasche (Pegnesisches Schäfergedicht ... von Strefon und Clajus, Nbg. 1644 [Ndr. Tüb. 1966], S. 18; Frauenzimmer Gesprechspiele, T. 5, Nbg. 1645 [Ndr. Tüb. 1969], S. 454). Joh. Helwig brachte im „Ormund“, Ffm. 1648, S. 116, ein F. in Form einer Pyramide, Sigmund von Birken in „Guelfis...“, Nbg. 1669, S. 23, 35-37, F. in Form von Becher, Herzen und geöffnetem Buch (Abb. 4) sowie in „Pegnesis ...“, Bd. 2, Nbg. 1673, S. 250f. u.a. eine Waage. Mit zwölf F. stattete J. Helwig sein Werk „Die Nymphe Noris ...“, Nbg. 1650, aus; neben den üblichen Formen wie Herz und Pyramide kommen z. B. auch Türme (s. Sp. 1019), Nußbaum, Reichsapfel, Orgel, Schalmei vor. Manche der „abgebildeten Gegenstände sprechen im Gedicht von sich selbst“ [4, S. 93f.]. Eine Liste mit zahlreichen Beispielen gibt [12] S. 70-73, Abb. S. 53-68.
F. sind häufig Gratulationsgedichte (z. B. [8] Abb. 10) oder Fürstenlob (Beispiele bei Martin Bircher und Thomas Bürger, Alles mit Bedacht. Barockes Fürstenlob auf Hzg. August [1579 bis 1666]..., Wolfenbüttel 1979, S. 94f. und 172.). 1685 dichtete Theodor Kornfeld „Eine Denck- und Danck-Seule des Wienischen Siegs“ über die Türken [12, Abb. 20]. Joh. Heinr. Hadewig, der sich auf F. in Form von Herzen und Bechern beschränkte, rechnete die F. kurzerhand zu den Hochzeitsgedichten (Kurtze und richtige Anleitung, Wie in unser Teutschen Muttersprache Ein Teutsches Getichte ... könne verfertiget werden..., Rinteln 1650). Im Bereich solcher Gelegenheitsdichtung lebte das F. bis ins 19. Jh. fort [4, S. 95].
Nach wie vor wurden Glückwünsche als Pokale, Liebesgrüße als Herzen, anläßlich von Todesfällen Kreuze und Trauersäulen gedichtet. Widmungsgedichte konnten die Form von Wappenzeichen bekommen (z. B. F. von J. Helwig in der „Nymphe Noris“ zu Ehren Harsdörffers in Form von dessen Wappentürmen: [1] S. 185). Noch 1845 brachte Ferd. Aug. Oldenburg den Neujahrsgruß seiner Augsburger Zeitschrift „Der Erzähler“ in einem Männlein-F. zum Ausdruck (Abb. 5).
Manche der F. kamen nur mit Hilfe der Geschicklichkeit des Druckers zustande, also mit den gleichen typographischen Mitteln wie der Figurensatz (z. B. die Waage von S. von Birken, Sp. 1018).
Statt ungleich lange Verszeilen zu dichten, wurden Verse und Worte beliebig getrennt (so von Scaliger bei seinen Mustergedichten: s. Sp. 1017), größere und kleinere Lettern verwendet (z. B. [11] Abb. S. 737), auch Zeilen in Art der *Mikrographie zu Konturen von Figuren gemacht, z. B. zu einer „Stella pacis aurea“ (Martin Gosky 1650: M. Bircher und Th. Bürger a. a. O. [Sp. 1019] S. 64, ähnlich S. 139) oder zu einem Greifen, den der aus Ulm stammende, in Stralsund arbeitende Buchdrucker Mich. Meder 1682 gestaltete (Gottlieb Mohnike, Die Gesch. der Buchdruckerk. in Pommern, Stettin 1840, S. 109ff.; weitere Beispiele bei [1] Abb. S. 184; [12] Abb. 8, 15f., 22, 22 a). Solche Künsteleien mögen zur Ablehnung des F. beigetragen haben.
Zu den Abbildungen
1. Rom, Bibl. Vat., cod. Reg. lat. 124 (Hrabanus Maurus, Liber de laudibus s. crucis), fol. 22v, F. mit Lamm Gottes und Evangelistensymbolen. Fulda, 2. V. 9. Jh. Foto Bibl.
2. Bern, Burgerbibl., cod. 212 (Sammelhs.), fol. 119v, F. des Publilius Optatianus Porfyrius mit Explicit. N-Frankreich?, 9./10. Jh. Foto Bibl.
3. Berlin (DDR), St.bibl., Fragm. 89 (Sammelhs.), fol. 7, F. des Jacobus de Gouda. Köln, 1495. Foto Bibl.
4. Sigmund von Birken, F. in Form von Herzen und geöffnetem Buch in „Guelfis ...“, Nbg. 1669, S. 36f. Foto Bayer. St.bibl., Mchn.
5. Ferd. Aug. Oldenburg, F. in Form eines Männleins, Neujahrsglückwunsch in „Der Erzähler“ 10, 1845, S. 4. Nach dem Orig.
Literatur
1. Max Zobel von Zabeltitz, Über Figurengedichte, in: Gutenberg-Fs. zur Feier des 25jährigen Bestehens des Gutenbergmus. in Mainz, Mainz 1925, S. 182-186. - 2. Ders., Figurengedichte, Zs. für Bücherfreunde N.F. 18, 1926, S. 21-24. - 3. Paul Maas, Art. „Technopaignia“, in: RE 2. R. 9. Halbbd. (1934) Sp. 103f. (mit älterer Lit.). - 4. H. Rosenfeld, Das dt. Bildgedicht, Lpz. 1935 (Palaestra, 199), S. 87-96. - 5. Margaret Church, The Pattern Poem, Diss. Radcliff College, Harvard Univ., Cambr./Ma. 1944. - 6. Chr. Lenz, Art. „Carmina figurata“, in: RAC Bd. 2 (1954) Sp. 910 bis 912 (mit älterer Lit.). - 7. H. Rosenfeld, Art. „F.“, in: Reallex. der dt. Lit.gesch., Bd. 21, Bln. 1958, S. 461f. - 8. Toini Melander, Suomen kirjapainotaitoa barokin vuosisadalla, Helsinki 1960. - 9. Norbert Fickermann, Eine karol. Kostbarkeit zwischen Figurengedichten der Zeit um 1500, Beitr. zur Gesch. der dt. Sprache und Lit. 83, 1961/1962, S. 36-62. - 10. Alfred Liede, Dichtung als Spiel, Bln. 1963, Bd. 2. - 11. Albr. Schöne, Das Zeitalter des Barock, Mchn. 21968. - 12. Robert G. Warnock und Roland Folter, The German Pattern Poem: A Study in Mannerism of the 17th C, in: Fs. für Detlev W. Schumann zum 70. Geburtstag, Mchn. 1970, S. 40-73. - 13. H. Rosenfeld, Bild und Schrift, Archiv für Gesch. des Buchwesens 9, 1971, Sp. 1653-1658. - 14. Karl Severin (Hg.), Fünfundzwanzig F. des Barock, Mchn. 1983.
Verweise
Empfohlene Zitierweise: Rosenfeld, Hellmut , Figurgedicht, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. VIII (1985), Sp. 1012–1020; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=89433> [05.04.2022]
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