Filete

Aus RDK Labor
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englisch: Fillet; französisch: Fillet, palette; italienisch: Filetto.


Ferdinand Geldner und Ingrid Haug (1985)

RDK VIII, 1058–1061


RDK VIII, 1057, Abb. 1 a und b. Mainz, um 1690.
RDK VIII, 1059, Abb. 2. München, E. 18./A. 19. Jh.
RDK VIII, 1059, Abb. 3. Stuttgart und Wien 1831.

Als F. bezeichnet man im Buchbindergewerbe Stempel, mit denen gerade Linien oder schmale Ornamentleisten geprägt werden, sowie die mit solchen Stempeln hergestellten Ornamente.

Das Wort ist aus dem Französischen genommen („filet“ = dünner Faden) und bezeichnete dort anfänglich wohl nur das Ornament; bei der Übertragung der Bezeichnung auf das Instrument benannte man Rollenstempel ebenso als F. wie starre Stempel, sofern sie der Herstellung solcher Ornamente dienten.

Diderot-d’Alembert, die s. v. „Filet“ nur Verweise auf „Roulette“ und „Palette“ bringen, beschreiben unter dem erstgenannten Stichwort Rollenstempel; die „Roulette simple, autrement dit filet“ dient zum Prägen einfacher Linien, der „filets“ ([2] Bd. 14 S. 412f.; s. auch [3] Fig. 25 und [5] S. 70f.), ebenso wie die Bd. 11 S. 782 genannte „palette simple“ und die „palette à queue“, beides starre Stempel mit gerader Stempelfläche (s. auch [3] Fig. 24). Das gleiche Instrument heißt bei Dudin „palette à filet“ [5, S. 69, Taf. 11 Fig. 15f.]. Krünitz nennt als franz. Bezeichnung der F. „Fer à Fileter“ [7].

Auch die traditionelle Angabe über die „Erfindung“ der F. durch den Pariser Buchbinder und -händler Pierre Gaillard d. Ä., der vor 1606 Meister geworden war, dürfte sich auf das Ornament beziehen. Die Nachricht geht zurück auf Michel Marolles (1600-1681), der Bucheinbände beschrieb, „qui ... font ressembler le parchemin au veau, y mêlants des filets sur le dos, qui est une invention que l’on doit à un relieur de Paris appelé P. G.“ (zit. bei Ernest Thoinan, Les relieurs franç. [1500-1800], Paris 1893, S. 288).

Im deutschen Sprachgebrauch des 18. und 19. Jh. ist F. als Bezeichnung für das Ornament ebenfalls geläufig (z. B. [4] S. 116), vorwiegend jedoch meinte man mit F. das Instrument, für das man je nach der damit aufzubringenden Ornamentform oder der Plazierung des Ornaments spezifizierende Namen hatte.

Chr. E. Prediger nennt Spitz-, Schlangen-, Franz-, Stich-, Punctin-F. usw. ([1] Bd. 1 S. 132ff., Bd. 2 S. 170, 176f., Bd. 3 S. 74, 76, 78 u. ö.); „krumme Filleten-Risse“ sind bei ihm Entwürfe zur Dekoration von Buchdeckeln, auszuführen mit Linien- und Bogensatz (ebd. Bd. 1 S. 176ff. u. ö.; vgl. [13] S. 28). Als „F.stempel, zu kraussen Linien der Dekken“ beschrieb Joh. Sam. Halle eine abgebildete F. für Punktreihen [4, S. 124, Taf. III]. Nach Jacobsson [6] ist die F. „ein Stämpel, womit krause oder gerade Linien oder Striche, auch mancherley Figuren, mit oder ohne Goldblätter, auf die Bände der Bücher aufgetragen werden. ... sie erhalten auch von ihrem Gebrauch und ihrer Gestalt verschiedene Beynamen, als Borten-Franz- Kettel- Spitz- Schlangenfilett usw.“ (ähnlich Krünitz [7]).

Das Instrument ist ein flacher, starrer metallener Stempel - in der Regel aus Messing - mit schmaler, langer Prägefläche, auf der das Ornament erhaben steht, mit einem hölzernen Handgriff. Die Prägefläche soll so lang sein, daß die F. auf einem durchschnittlich breiten Buchrücken nur einmal angesetzt werden muß ([5] S. 69; [10] S. 239). In Frankreich verwendete man F. mit leicht gebogener Prägefläche (so ebd. S. 239; Fig. 40 auf Abb. 3) oder mit gerader ([9] S. 404f.; zur „Palette“ mit gerader Stempelfläche s. oben); in Deutschland war die F. stärker gebogen, im Aussehen einem Wiegemesser ähnlich (Fig. 39 auf Abb. 3; [6]; [8] S. 27f.; s. auch [11] S. 12, Abb. 12,4); den „englischen F.“ fehlt -so Greve und Prechtl - solche Krümmung ([9] S. 404f.; [10] S. 239; Fig. 38 auf Abb. 3). Mit der F. brachte man sowohl vergoldete usw. als auch -seltener - Blindornamente auf Leder, Pergament und Pappe auf, aber auch auf mit Stoffen bezogene Einbände ([8] S. 257: „auf Atlas, Taffet u. dergl.“; [9] S. 417: „Seidenzeuge, Sammet usw.“).

Zum Aufbringen der vergoldeten Ornamente auf den für die Vergoldung grundierten Werkstoff gibt es zwei unterschiedliche Verfahren. Man bestreicht den Werkstoff zusätzlich mit etwas Öl oder Fett, legt das Blattgold auf und drückt die je nach Werkstoff unterschiedlich stark erhitzte F. ein. Oder man fettet die erhitzte F. leicht ein, nimmt mit ihr das Blattgold auf, das an der eingefetteten

F. haften bleibt, und preßt dann mit ihr das Gold dem Werkstoff auf. Auf gleiche Weise kann Blattsilber, Zwischgold und anderes Blattmetall aufgebracht werden. Längere Ornamentleisten gewinnt man durch mehrfaches Ansetzen der F., wobei es an den Nahtstellen zu Unregelmäßigkeiten kommen kann- Kennzeichen der Arbeit mit der F. (zur Technik ausführlich [8] S. 250ff., 305ff.).

Man nimmt an, daß F. etwa nach M. 17. Jh. aufkamen; gegen E. des Jh. (s. Abb. 1 a und b), im 18. und 19. Jh. waren sie allgemein im Gebrauch (eine erhaltene F. des 18. Jh. abgebildet bei Günter Gall, Leder im europ. Khw., Braunschweig 1965 [Bibl. für K.- und Antiquitätenfreunde, 44], Abb. 155; s. auch Abb. 2). Noch in der Gegenwart verwendet man sie in der Handbuchbinderei zur Vergoldung von Ledereinbänden. Vieles spricht dafür, daß F. anfänglich und bevorzugt dem Aufbringen vergoldeten Dekors auf dem Buchrücken dienten; denn hier läßt sich dieses Instrument viel leichter handhaben als der - ältere - Rollenstempel. Aber auch die Buchdeckel wurden vor allem entlang der Kanten mit Hilfe von F. geschmückt, ebenso *Futterale [10, Bd. 6 S. 336], Lederbezüge von Möbeln, Schreibmappen und Ähnliches.

Zu den Abbildungen

1 a und b. Vorderer Buchdeckel und Buchrücken mit F.-(und Stempel)dekor. Rotgefärbtes Ziegenleder und Gold, ca. 34 × 26 cm. Mainz, Stadtbibl., Einband von Nicolaus Schuten, Hist. Westfalicae, Münster i. W. 1690 (Sign.: 690 q 2), ausgestellt im Gutenberg-Mus. Mainz. Um 1690. Foto Popp & Co., Mainz.

2. F. mit Abrollung der Stempelfläche. München, Bayer. St.bibl., Inst. für Buch- und Hss.restaurierung. E. 18./A. 19. Jh. Foto Bibl.

3. F.typen nach [10] Taf.bd. Taf. 44 Fig. 38-40. 1831. Nach dem Orig.

Literatur

1. Christoph Ernst Prediger, Der... wohl anweisende accurate Buchbinder und Futteralmacher..., 4 Bde., Ansbach, Ffm. und Lpz. 1741-1753. - 2. Diderot - d’Alembert Bd. 6 (1756) S. 678, Bd. 11 (1765) S. 782, Bd. 14 (1765) S. 412f. - 3. Dies., Recueil de planches, sur les sciences et les arts, Bd. 8, Paris 1771, „Relieur“ Taf. 6. -4. Joh. Samuel Halle, Werkstätte der heutigen Künste oder die neue K.historie, Bd. 2, Brandenburg und Lpz. 1762. - 5. René Martin Dudin, L’art du relieur doreur de livres, Paris 1772 (Descriptions des arts et métiers). -6. Joh. Karl Gottfr. Jacobsson, Technolog. Wb., 1. T., Bln. und Stettin 1781, S. 721 s. v. „Filett, Filet“ und „Filettstämpel“. - 7. Krünitz Bd. 13 (1788) S. 343. - 8. Chrn. Friedr. Gottlieb Thon, Die K. Bücher zu binden ..., Ilmenau 21826 (1. Aufl. 1820; Neuer Schauplatz, 2). - 9. Ernst Wilh. Greve, Hand- und Lehrbuch der Buchbinde- und Futteralmache-Kunst, Bd. 1, Bln. 1822. - 10. Joh. Jos. Prechtl (Hg.), Technolog. Enz. ..., Bd. 3, Stg. und Wien 1831. – 11. Hans Loubier, Der Bucheinband von seinen Anfängen bis zum E. des 18. Jh., Lpz. 21926 (Monographien des Kgwb., 21/22). - 12. Adolf Rhein, Frühe goldgedruckte Rückentitel und der Rücken als Schauseite des Buches, Archiv für Buchbinderei 44, 1944, S. 16-20. - 13. Ders., Frühe Rückengoldtitel in Dtld. mit Schriftkasten und F., ebd. S. 26-29.