Flamberg

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englisch: Broad-sword with flamboyant blade; französisch: Flamberge; italienisch: Flamberga, durlindana.


Hugo Schneider (†), Ergänzungen von Friedrich Kobler (1992)

RDK IX, 633–638


RDK VII, 1141, Abb. 4. Joos de Bosscher, 1580.
RDK IX, 633, Abb. 1. Zürich, um 1615.
RDK IX, 633, Abb. 2. Zürich, um 1620.
RDK IX, 635, Abb. 3. J. Marrel, 1659.
RDK IX, 637, Abb. 4. J. und A. Schmutzer (Entw.), W. Kolb (Ausf.), Wien 1740.

Als F. wird in der Waffenkunde ein langes, schweres Schwert bezeichnet (Zweihänder, Bihänder), dessen gesamte Klinge (Abb. 1) oder deren Schneiden (Abb. 2) geschweift, „geflammt“ sind.

Die Waffe ist etwa mannshoch, ihre Parierstange gerade oder, in der Spätzeit des Vorkommens, nach der Seite des Ortes gebogen und trägt zwei Parierringe; an der Fehlschärfe sitzen zwei Parierhaken.

Das Wort F. ist dem Französischen entlehnt.

Die altfranz. Schreibweise ist „froberge“, „floberge“ (Ernst Gamillscheg, Etymolog. Wb. der franz. Sprache, Hdbg. 21969, S. 429), sie wurde im Mittelfranzösischen in Anlehnung an „flambe“, „flamber“ zu „flamberge“ umgestaltet (ebd.; belegt 1517: Paul Robert, Dict. alphabétique et analogique de la langue franç., Bd. 4, Paris 21985, S. 545). Den Namen F. trägt das Schwert des Ritters Renaut de Montauban in den hochma. „chansons de geste“ (Ad. Tobler, Vermischte Beitr. zur franz. Grammatik, 5. R., Bln. 1909, S. 221, Anm.; ders. und Erh. Lommatzsch, Altfranz. Wb., Bd. 2, Wiesb. 1954, Sp. 2274); in anderen Fällen ist mit F. ein Schwert gemeint (Frédéric Godefroy, Dict. de l’ancienne langue franç. ..., Bd. 4, Paris 1885, S. 154), ohne daß damit etwas über das Aussehen der Waffe mitgeteilt wäre. Nicht geklärt ist, ob in dieser Bezeichnung ein Hinweis auf die ursprüngliche Form des Waffentyps fortlebte.

Im Deutschen ist das Wort im 16. Jh. nachgewiesen, in Übersetzungen aus dem Franz. (s. Grimm Bd. 3 Sp. 1711); auch hier besagt der Wortgebrauch nichts über Formeigenheiten der Waffe.

Erst in der waffenkundlichen Literatur des 19. und 20. Jh. ist das Wort F. für ein Schwert im Sinn der Definition gebraucht.

In der Lit. des 19. Jh. wird unterschieden zwischen dem F. und dem „Flamberg oder Schweizerdegen“ (Aug. Demmin, Die Kriegswaffen, Lpz. 1869, S. 393; zum sog. Schweizerdegen s. Wendelin Boeheim, Hdbb. der Waffenkde., Lpz. 1890 [Seemanns k.gewerbl. Hdbb., VII], S. 261). Zu *Degen mit geflammter Klinge s. Heinr. Müller und Hartmut Kölling, Europ. Hieb- und Stichwaffen aus der Slg. des Mus. für dt. Gesch., Bln. 1981, S. 209 Abb. 136f.

Der F. ist wohl erst um die M. 16. Jh. aufgekommen (die - vor allem in Lexika - nicht seltene Angabe „A. 15. Jh.“ dürfte auf einer Verwechslung mit dem frühen Vorkommen des Zweihänders beruhen, dazu vgl. W. Boeheim, Zs. für Hist. Waffenkde. 1, 1897-1899, S. 63) und wurde bis um 1620 hergestellt. Verbreitet war die Waffe vorwiegend in Süddeutschland und der Schweiz. Nur wenige Herstellungsorte sind zweifelsfrei nachgewiesen, an erster Stelle Passau und München, wo Angehörige der Familie Stantler als Klingenschmiede tätig waren (Abb. 1; Hans Stöcklein, Münchener Klingenschmiede, Zs. für Hist. Waffenkde. 5, 1909-1911, S. 287 und 289f.), daneben vielleicht Zürich (vgl. Hugo Schneider, Vom zürcherischen Degen- und Messerschmiedehandwerk, in: Fs. Walter Drack ..., Zh. 1977, S. 189-201), auch Kremsmünster (in der Rüstkammer des Stifts drei F., möglicherweise identisch mit den 1594 und 1595 von dem ortsansässigen Schwertmesserer Hanns Aichinger bezogenen Schlachtschwertern, s. Bruno Thomas in: Kdm. Österr. 43, 2 S. 269f. Nr. 54-56); eine geflammte Klinge vom A. 17. Jh. mit dem Namen des span. Klingenschmiedes Sahagum und der Marke des Peter Wirsberg, Solingen, besaß das Zeughaus in Berlin (Zs. für Hist. Waffenkde. 5, 1909-1911, S. 113). - In Italien kommt als Herstellungsort vielleicht Mailand in Betracht (Guy Francis Laking bildet einen F. ab, dessen Klinge zweimal den Namen des Mailänder Waffenschmieds Ant. Piccinino [† 1589] trägt: A Record of Europ. Armour and Arms ..., Bd. 4, Ld. 1921, S. 274 Abb. 1340, dazu S. 275). - Vielfach ist mit dem Import leeren Klingen zu rechnen, die dann von örtlichen Waffenschmieden weiterverarbeitet wurden.

Auffällig ist die hohe Zahl (von Münchener Klingenschmieden gefertigter?) geflammter Klingen, die 1637 im Inv. des kurf. Hauptzeughauses verzeichnet sind: neben 191 „flachen Schwertern“ sind 96 „geflammte“ registriert (Hans Fahrmbacher und Sigmund Feistle, Das Münchener kurf. Hauptzeughaus, Zs. für Hist. Waffenkde. 5, 1909-1911, S. 174-184 und 213-221, bes. S. 183).

Ob der F. überhaupt jemals im Kampfe verwendet wurde, ist zweifelhaft; in der Regel scheint er Schau- und Prunkwaffe gewesen zu sein, im Gegensatz zum Zweihänder, der, wenigstens in der Frühzeit, als „Schlachtschwert“ (so die oft anzutreffende Benennung in Zeughausinventaren des 16./17. Jh.) gebraucht wurde.

Ob der F. gleich dem Zweihänder über der Schulter oder auf dem Rücken getragen wurde, geht aus Abbildungen nicht hervor; in Bildern ist in der Regel der F. unverwahrt gezeigt, entweder auf den Boden gesetzt (ein Beisp. RDK VII 1141f. Abb. 4: bewaffnete Mitglieder der Antwerpener Bürgerschaft) oder frei nach oben gehalten (vgl. Abb. 3f.). Häufig kommen F. paarweise vor, was die Ausrüstung der Fahnenwache mit F. vermuten läßt (freilich bislang nur für den Zweihänder bezeugt: s. W. Boeheim 1897-1899 a. a. O. [Sp. 635] S. 64: „Schlachtschwertrotten war der Schutz der Fahne anvertraut“; vgl. aber Abb. 3).

Den Gebrauch des F. noch nach der M. 17. Jh. bezeugt der Umzug der Schreinergesellen in Frankfurt a. M. zur Fastnacht 1659: die Kleider, Fahnen und Feldzeichen der Teilnehmer waren aus Hobelspänen gefertigt, alle Ausrüstungsgegenstände, Waffen und Werkzeuge, aus Holz - so auch die beiden F., deren Träger gleich einer Fahnenwache dem Fähnrich folgten (Abb. 3; Phil. Friedrich Gwinner, Zusätze und Berichtigungen zu K. und Künstler in Frankfurt a. M. vom 13. Jh. bis zur Eröffnung des Städel’schen Kunstinstituts, Ffm. 1867, S. 44f.).

Kam es in späterer Zeit in Zeughäusern zur dekorativen Aufstellung veralteter Waffen, plazierte man F. oft an hervorgehobener Stelle (s. Abb. 4).

Zu den Abbildungen

1. Zürich, Schweiz. L.mus., Inv.nr. IN 96, Flamberg. L. 179,8 cm, L. der Klinge 130,6 cm. Klinge bezeichnet „Stantler me fecit“. Passau oder München, um 1615. Foto Mus.

2. Zürich, Schweiz. L.mus., Inv.nr. KZ 680, Flamberg. L. 184,6 cm, L. der Klinge 128,7 cm. Klinge gemarkt mit Doppellilie (Zürich [?], Hans Müller [?]). Um 1620. Foto Mus.

3. J. Marrel, „Zierlicher vnd schöner Auffzug Welcher von den Schreiner Gesellen zu Franckfurt am Mayn / von den 14. biß 17. Febr. Anno 1659 öffentlich geschehen vnd gehalten worden“, Ausschnitt (Gesamtabb.: Ernst Mummenhoff, Der Handwerker in der dt. Vergangenheit, Jena 21924 [Die dt. Stände in Einzeldarst.], Abb. 128), Radierung. Nach ebd.

4. Joseph und Andr. Schmutzer (Entw.) und W. Kolb, Wand im Bürgerlichen Zeughauses in Wien. Kupferstich in: Ernst Apfalterer, Civicum augustae Vienensium armatarium ..., Wien 1740. Nach Walter Hummelberger, Das Bürgerl. Zeughaus, Wien und Hbg. 1972 (Wiener Gesch.bb.), Taf. 6.

Verweise