Aula

Aus RDK Labor
(Weitergeleitet von Saal)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

englisch: Hall; französisch: Salle des actes (d'une université); italienisch: Aula.


Hans Wentzel (1937)

RDK I, 1277–1279


I. Aula

A., als Wort aus dem Griechischen (ἀυλή) herrührend, bedeutet in der Antike vornehmlich den atriumartigen Hof bzw. die Hofhalle [11]. A. als Bezeichnung für einen festen Gebäudeteil scheint erst im christlichen Abendland üblich geworden zu sein. So bezeichnet A. in den zahlreichen von J. von Schlosser [5] angeführten frühmittelalterlichen Schriftquellen fast ausnahmslos „großer kirchlicher Raum, kirchliche Halle oder kirchlicher Saal“, ohne daß zunächst der Name ausschließlich für eine bestimmte Gebäudeform verwendet würde. „Aula dei“ ist eine beliebte Umschreibung für Kirche (Gotteshaus), s. [5 S. 323]; Formeln wie „haec domus alma dei, Christi et venerabilis aula“ [5 S. 221 Nr. 693] sind häufig; in dieser Anwendung gilt aula ecclesiae als das hallenartige Kirchenschiff (häufig bei Schlosser [5], vgl. auch Mortet [8 S. 209, 210, 213]).

Wenn A. dagegen in präziseren, eingehenderen Baubeschreibungen für bestimmte Gebäudeteile gebraucht wird, so scheint der Bezeichnung eine profane Vorstellung im Sinne von „Saal“ anzuhaften. So kann A. anscheinend schon früh ein Gleichwort für „palatium“ sein, s. E. Knögel [12 S. 196 Nr. 913: vor 913]; vgl. auch Schlosser [3 S. 39] und Mortet [8 S. 345]. Eine genauere Vorstellung der profanen A. läßt sich für deutsche Beispiele durch den Vergleich mit englischen gewinnen, wo wir von A. in Barton Farm, Pagham (Sussex) und in der Diözese Durham wissen, vgl. Brown [9, Bd. I S. 104; Bd. II S. 9]. Eine bildliche Vorstellung ist in Harolds „Nova Aula“ (manor house) in Bosham durch den Teppich in Bayeux erhalten, vgl. Brown [9 Bd. I S. 104; Bd. II S. 9]. In einigen von Mortet [8] genannten Beispielen gilt A. auch in Frankreich im 11. und 12. Jh. ganz eindeutig als fürstliche Privatwohnung, so in St.-Nicolas bei Angers, in Châteaudun, Château-Renault, in Troyes (s. Mortet [8 S. 18, 112, 237]). Auf deutschem Boden wissen wir Genaueres nur von der A. in St. Gallen durch den Klosterplan. Hier bezeichnet A. die Abtswohnung. Sie „besteht aus zwei Gebäuden, von denen das eine der Abt selbst und das andere dessen Dienerschaft bewohnt. Das erste Gebäude enthält zwei Stockwerke, wovon das untere auf der Ost- und Westseite mit einer offenen Halle, porticus arcubus lucida und porticus similis, versehen ist ... Das obere Stockwerk enthält über dem Wohnzimmer einen Söller oder Saal, solarium ...“ (F. Keller, Bauriß des Klosters St. Gallen vom Jahr 820, Zürich 1844 S. 25/26). Auch in St. Gallen ist die A. bei eindeutig geistlichem Zwecke durch die Stellung außerhalb der Klausur als profan gekennzeichnet. Eine dieser von kaiserlichen Bauleuten vollendeten und von Reichenauer Künstlern ausgemalten Anlage ähnliche war die „aula nova prioris“ in Canterbury, vgl. Schlosser [3 S. 39]. Auch in Frankreich werden an verschiedenen Orten aulae episcopales erwähnt, so in Coutances (M. 11. Jh.), in Auch (um 1100) und zu St. Victor in Paris (E. 12. Jh.), vgl. Mortet [8, S. 72, 74, 95, 302].

II. Aula regia

Die Anlage mit der offenen Halle im Untergeschoß und dem Saal im Obergeschoß verbindet diese Bauten mit der Art der A., die man gemeinhin als aula regia zu bezeichnen pflegt, der Pfalz. Eine wohl derartige A. ist für Köln schon in merovingischer Zeit durch Gregor von Tours bezeugt, s. E. Knögel [12 S. 59]. – Genauere Vorstellungen gewinnen wir durch noch erhaltene Bauten dieses Typus. So kommt die Bezeichnung A. besonders häufig für die Pfalz von Ingelheim vor, vgl. Clemen [4 S. 61, 98, 112, 132 usw.]. Der Vorhof trägt hier die Bezeichnung proaula und zeigt damit deutlich, daß die antike Vorstellung für A. als Hof verlorengegangen ist, so daß dieser eine neue Bezeichnung erhalten muß. – Als A. wird weiterhin die Pfalz in Aachen benannt, vgl. P. Clemen [4 S. 126, 135]; auch die Pfalz in Goslar trägt in dort ausgestellten Urkunden den Namen, s. Hoelscher [10 S. 134]. – A. heißt in Frankfurt der Saalhof, der aus der 822 von Ludwig dem Frommen erbauten Pfalz hervorgegangen ist, noch 1317 wird er aula regia genannt (jedoch damals schon als Lehen ververgeben). – Ob die Bezeichnung A. oder aula regia bei den Pfalzen als Benennung für den Gesamtkomplex der Bauten oder nur für das eigentliche Kaiserhaus aufzufassen ist, wird bei der Unbestimmtheit der Beschreibungen nicht klar. Es liegt jedoch nahe, bei ihnen als A. den Bau mit dem großen Festsaal aufzufassen, s. P. Clemen [4 S. 126, 112]. Die Gesamtanlage ist vielmehr eher unter den ähnlich klingenden Bezeichnungen curia regalis, villa regalis zu verstehen, der Name A. (oder auch aula regalis oder consistorium) soll anscheinend den Gedanken an den Gebäudeteil mit dem Repräsentationsraum durchklingen lassen, vgl. Hoelscher [10 S. 103, 128]. Auf diese Weise verbinden sich auch die Abtswohnungen (s. I) durch ihren Typus mit der unteren offenen Halle und dem oberen durchlaufenden Saal mit den Pfalzkernbauten, vgl. P. Clemen [4 S. 135].

III. Universitätsaula

Die Bezeichnung A. hat sich in nachmittelalterlicher Zeit für eine bestimmte Form des Repräsentationsgebäudes bis in die Gegenwart erhalten, und zwar für den Festbau der Universitäten und Hochschulen. Jede von ihnen besitzt eine A. Ursprünglich bezeichnet man damit das ganze Gebäude, in dem der Festsaal untergebracht war (Tübingen, auch noch Wien). Tübingen besitzt noch heute die 1547 erbaute „aula nova“, jetzt „Alte Aula“, ein mehrstöckiges für Verlesungen bestimmtes Gebäude, dessen größter Raum als Auditorium maximum und Festsaal diente. Im Juleum zu Helmstedt (erbaut 1592-97) ist das ehemalige Auditorium maximum heute Aula des Gymnasiums (Inv. Braunschweig I Taf. 15). Offenbar wurde es erst im Barock üblich, den Festsaal allein A. zu nennen: Salzburg (1631) und Breslau (um 1730). Bei beiden ist die Verbindung mit dem Kirchlichen auffällig. Die Salzburger Aula academica steht in Zusammenhang mit der Kollegienkirche (Altar und Wandbilder von A. Bloemaert und Zacharias Müller, 1636); die Breslauer Aula Leopoldina ist aus dem Jesuitenkollegium hervorgegangen und zeigt in dem ganzen malerischen Schmuck kirchliche Themen, die mit akademischen verquickt sind. Die ehem. Wiener Universitätsaula, jetzt Akademie der Wissenschaften, wurde 1753–55 erbaut (Abb. Inv. Österreich 14 S. 273); im Festsaal befinden sich allegorische Stuckplastiken und Deckengemälde mit Allegorien der vier Fakultäten. Als Musterbeispiel einer klassizistischen A. ist die besonders gut bewahrte in Göttingen zu nennen (von Praël, 1835–37).

Literatur

1. Du Cange I S. 494. 2. Otte I S. 21. 3. J. von Schlosser, Die abendländische Klosteranlage des früheren Mittelalters, Wien 1889. 4. P. Clemen, Der karolingische Kaiserpalast zu Ingelheim, Westdeutsche Zs. f. Gesch. u. K. XI, Trier 1890. 5. J. von Schlosser, Schriftquellen, Index S. 470. 6. Pauly-Wissowa II Sp. 2401f. 7. P. Clemen, Die mittelalterlichen Profanbauten: Die Kaiserpfalzen, 1–3. Bericht über die Arbeiten an den Denkmälern deutscher Kunst, Berlin 1911–14. 8. V. Mortet, Recueil de textes relatifs à l’histoire de l’architecture en France au moyen âge, Paris 1911. 9. G. B. Brown, The Arts in Early England I, London 19262; II, London 1925. 10. Uvo Hoelscher, Die Kaiserpfalz Goslar, Berlin 1927. 11. Enciclopedia Italiana V, 1930 S. 358. 12. Elsmarie Knögel, Schriftquellen zur Kg. der Merovingerzeit, Bonner Jahrbücher 140/41, 1936. 13. Richard Foerster, Die Aula Leopoldina der Universität Breslau, Rede ... am 27. Januar 1899, Breslau 1899. 14. Ders., Die Kunst des Barock im Musiksaale der Universität, Rede ... am 27. Januar 1909, Breslau 1909. 15. Hermann Thiersch, Göttingen und die Antike, Festrede ... am 9. Juni 1926, Göttingen 1926.

Verweise